Der WEISSE RING hat den Leiter der Außenstelle Hochsauerlandkreis mit sofortiger Wirkung von allen Aufgaben entbunden. Außerdem hat der Verein Strafanzeige erstattet gegen den ehrenamtlichen Mitarbeiter wegen des Verdachts von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Betrug und Unterschlagung.
Der WEISSE RING verspricht, die Vorgänge und Hintergründe mit größtmöglicher Transparenz aufzuarbeiten und darzustellen. Dazu dient diese Website, die wir regelmäßig aktualisieren werden, sobald neue Erkenntnisse vorliegen.
(zuerst veröffentlicht: 22.02.2021, 16:30 Uhr)
Weitere Entwicklung
1 Was wird dem Mitarbeiter vorgeworfen?
2 Was sagt der Außenstellenleiter zu den Vorwürfen?
3 Wie hat der WEISSE RING auf die Vorwürfe gegen den Mitarbeiter reagiert?
4 Sind dem WEISSEN RING weitere Opfer in diesem Komplex bekannt?
5 Wie bewertet der WEISSE RING heute die damalige Entscheidung?
6 Gab es in der Vergangenheit ähnliche Vorwürfe gegen Mitarbeiter des WEISSEN RINGS?
7 Warum konnten diese Maßnahmen die neuen Vorwürfe nicht verhindern?
8 Werden die Maßnahmen jetzt verschärft?
9 Was macht der WEISSE RING mit den Opfern, von denen er erfährt?
10 Was sagt der Vorstand?
11 Statement zur Berichterstattung „Bochum“ vom 8. April 2021
12 Fall Lübeck: WEISSER RING lehnt Kostenübernahme ab
Dem WEISSEN RING liegen seit dem 10. Februar 2021 zwei Schreiben einer Rechtsanwältin und einer Beratungsstelle vor, in denen der Verein darüber informiert wird, dass ein Außenstellenleiter – ein ehemaliger Polizist – mutmaßlich sexuelle Handlungen an einem von ihm betreuten Kriminalitätsopfer vorgenommen haben soll. Den Schilderungen zufolge soll der Mann dabei die gesundheitliche Situation und die besondere Belastung der betroffenen Frau für seine Zwecke ausgenutzt haben. Der Geschäftsführende Bundesvorstand des WEISSEN RINGS hat die Schilderungen als glaubhaft bewertet. Da die dem Verein vorgebrachten Vorwürfe potenzielles Täterwissen beinhalten, wird der WEISSE RING aus ermittlungstaktischen Gründen dazu keine weiteren Angaben machen.
Unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung durch die Justiz hat der Außenstellenleiter aus Sicht des WEISSEN RINGS massiv gegen den Verhaltenskodex des Vereins und gegen die Standards der Opferbetreuung verstoßen.
Die Opferkontakte des abberufenen Außenstellenleiters gingen den Hinweisen zufolge deutlich über diesen Standard hinaus und zeigten alle Anzeichen einer sogenannten Überbetreuung. Verstoßen hat der Mann den Schilderungen zufolge zudem gegen das ihm ausdrücklich auferlegte Sechs-Augen-Prinzip, also gegen die Vorgabe, weibliche Opfer nur in Begleitung einer weiteren Mitarbeiterin zu betreuen.
In einem der beiden Schreiben an den WEISSEN RING werden zudem Betrugsvorwürfe gegen den Mann erhoben. Der mutmaßliche finanzielle Schaden ist nicht dem Verein, sondern den Sozialkassen entstanden.
Im Verhaltenskodex des WEISSEN RINGS heißt es unter anderem, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WEISSEN RINGS sollen sich als Lotsen verstehen, die Kriminalitätsopfer beraten, ihnen Hinweise zu weiteren Hilfsmöglichkeiten geben, ihnen Optionen der juristischen Weiterverfolgung aufzeigen oder sie auch zu Anwalts- oder Gerichtsterminen begleiten.
Der Mitarbeiter hat vom Landesvorsitzenden telefonisch, per E-Mail und per Einschreiben das Angebot zu einem persönlichen Gespräch erhalten. Bislang hat er es nicht angenommen.
Aktuell ist dem WEISSEN RING konkret ein weiterer Verdachtsfall bekannt. Am 22. Januar 2019 hatte sich eine Frau beim Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS gemeldet und mitgeteilt, dass der Leiter der Außenstelle Hochsauerlandkreis ihr gegenüber mehrmals sexuell übergriffig geworden sei. Der Vorwurf wurde an die Bundesgeschäftsstelle und an den Vorsitzenden des Landesverbandes Westfalen-Lippe weitergeben. Die Bundesgeschäftsstelle bat die Anruferin schriftlich, Kontakt zur Vertrauensperson des Vereins aufzunehmen, Dr. Herbert Fischer-Drumm. Die Funktion der Vertrauensperson war nach einem ähnlichen Vorfall in Lübeck im Jahr 2018 geschaffen worden. Der Vorsitzende des Landesverbandes Westfalen-Lippe, Jörg Bora, suspendierte parallel den Außenstellenleiter. Eine sofortige Suspendierung ist bis zu einer Überprüfung von Vorwürfen nach dem erwähnten Fall in Lübeck Standard. Der Außenstellenleiter zeigte laut eigener Aussage Verständnis für eine vorübergehende Suspendierung, stritt die Vorwürfe aber als „völlig haltlos“ ab.
Als die Anruferin nach drei Wochen nicht, wie angeboten, Kontakt zur Vertrauensperson des WEISSEN RINGS aufgenommen hatte, entschied der Landesvorsitzende eigenverantwortlich, die Suspendierung des Außenstellenleiters wieder aufzuheben. In einer internen Mail begründete Bora diesen Schritt damit, dass die Außenstelle seit drei Wochen „in der Luft schwebe“ und dass es nicht sein könne, dass ein Mitarbeiter mit derart schweren und belasteten Vorwürfen konfrontiert sei. Der Außenstellenleiter bedankte sich für das Vertrauen und gab damals dem Landesvorsitzenden gegenüber an, „bis auf weiteres“ lediglich Verwaltungsaufgaben in der Außenstelle HSK wahrnehmen zu wollen und keine unmittelbare Opferfallbearbeitung zu übernehmen. Bora machte ihm dies zur Auflage.
Wegen der Schwere des Vorwurfs bemühte sich die Vertrauensperson auch danach, in Kontakt mit der Anruferin zu treten. In der Folge kam es dann zu Telefongesprächen und einem persönlichen Treffen der Frau mit Herrn Dr. Fischer-Drumm, einem früheren Theologen. Dabei hielt die Frau an ihren Vorwürfen gegen den Außenstellenleiter fest. Sie kündigte wiederholt an, Strafanzeige erstatten zu wollen, setzte die Ankündigung aber nach Wissen des WEISSEN RINGS nicht um.
In seinem Abschlussbericht vom 12. April 2019 kam die Vertrauensperson zu der Einschätzung, dass die Angaben der Frau widersprüchlich und letztlich nicht hinreichend glaubhaft seien. Er empfahl, den Außenstellenleiter in seiner Funktion zu belassen, ihn aber darauf zu verpflichten, Opfer-Kontakte insbesondere zu Frauen künftig im Rahmen eines Sechs-Augen-Gesprächs zu führen.
In einem der beiden Hinweisschreiben an den WEISSEN RING findet sich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine dritte Frau sich über den Mitarbeiter beschwert haben könnte. Nähere Details dazu sind dem WEISSEN RING derzeit noch nicht bekannt. Die neu eingesetzte Taskforce hat die Überprüfung übernommen, bislang ohne Ergebnis.
Über die neu eingerichtete Hotline haben sich seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Außenstellenleiter bislang insgesamt elf Anruferinnen und Anrufer gemeldet. In sechs Fällen gibt es Hinweise auf mögliche Verstöße des ehemaligen Mitarbeiters gegen den Verhaltenskodex des WEISSEN RINGS in den Jahren 2016 bis 2020.
Letztlich hat der WEISSE RING bzw. haben die in diesem Fall hauptverantwortlich handelnden Personen bei der Bewertung der Vorwürfe gegen den Außenstellenleiter ein Problem gehabt. Sie haben den Grundsatz der Opferarbeit „Wir glauben Opfern“ durch die Suspendierung des Außenstellenleiters sowie die Einschaltung der Vertrauensperson zunächst richtig umgesetzt.
Dann standen zwei Aussagen gegeneinander – ein eher vager, am Opfer-Telefon formulierter Vorwurf gegen das Dementi eines langjährigen Mitarbeiters. Beweise oder Zeugen gab es nicht. Auch eine Strafanzeige lag gegen den Mitarbeiter nicht vor. Da sich die Kontaktaufnahme zu der Frau schwer gestaltete, entschied sich der Landesvorsitzende in dieser schwierigen Situation dazu, dass ein nicht negativ auffälliger und nicht vorbestrafter Mitarbeiter, der sich selbst als falsch beschuldigt darstellte, mit Einschränkungen seine Tätigkeit wieder aufnehmen durfte. Heute glauben wir, dass diese Entscheidung falsch war.
Die Geschäftsführung des WEISSEN RINGS entschied gemeinsam mit der Vertrauensperson am 13. Februar 2019, dass der Fall damit noch nicht abgeschlossen sein kann. Nach mehrmaligen erfolglosen Anläufen gelang es der Vertrauensperson die Kontaktaufnahme zu der Hinweisgeberin. Ein persönliches Treffen zwischen Dr. Fischer-Drumm und dem Opfer fand statt.
Der Landesvorsitzende von Westfalen-Lippe, Jörg Bora, sagt dazu: „Für den WEISSEN RING, seine vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für mich persönlich bleibt eine tiefe Betroffenheit zurück. Das Vertrauen von Menschen, die sich in einer persönlichen Ausnahmesituation hilfesuchend an uns gewandt haben, ist hier mutmaßlich auf schwerste Weise missbraucht worden. Ich möchte persönlich dafür um Entschuldigung bitten, dass es dem WEISSEN RING, dass es mir nicht gelungen ist, sie hiervor zu bewahren, wenn die Vorwürfe zutreffen. Es ist grundsätzlich unerträglich, wenn Menschen durch ein Verhalten eines Mitarbeiters des WEISSEN RINGS erneut zu Opfern werden. Das schmerzt mich und schmerzt den WEISSEN RING als Organisation unendlich.“
Auch die Vertrauensperson des WEISSEN RINGS, Dr. Herbert Fischer-Drumm, äußert sich betroffen. „Die Umstände des damaligen Falles waren durch den unregelmäßigen Kontakt zum Opfer gekennzeichnet, so dass die anfängliche Kommunikation nicht zufriedenstellend weitergeführt werden konnte. Bestehende Widersprüche in der Darstellung des Opfers waren daher nicht eindeutig zu konkretisieren. Vor diesem Hintergrund konnte die ursprünglich empfohlene weitere Suspendierung des ehrenamtlichen Mitarbeiters keinen Bestand mehr haben. Der frühere Außenstellenleiter, mit dem ich natürlich auch gesprochen habe in meiner Funktion, hat auch mich mutmaßlich getäuscht. Ich bedauere heute, damals nicht intensiver nachgefragt zu haben.“
Ja. Im März 2018 waren schwere Vorwürfe gegen einen damals 73-jährigen Außenstellenleiter in Lübeck bekannt geworden. Der pensionierte Polizist sollte jahrelang weibliche Opfer unsittlich berührt, mit Anzüglichkeiten beschämt und sogar zur Prostitution aufgefordert haben. Die juristische Aufarbeitung der Vorwürfe dauert an. Insgesamt hatten sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe 29 Frauen mit Beschwerden gemeldet. Letztlich kam es in der Sache in einem Fall zu einer Anklage wegen Exhibitionismus, vor Gericht wurde der ehemalige Außenstellenleiter freigesprochen. Er hatte seinerseits alle Vorwürfe bestritten. Die Nebenklage ist gegen das Urteil in Berufung gegangen ist, eine Entscheidung steht aus.
Unabhängig von dem juristischen Ausgang waren die im Raum stehenden Vorwürfe ein Schock für den WEISSEN RING, der Verein reagierte mit mehreren Maßnahmen: Man führte das Sechs-Augen-Prinzip in der Betreuung von weiblichen Opfern bei Sexualdelikten ein, installierte eine hauptamtliche Beschwerdestelle sowie eine ehrenamtliche Vertrauensperson, ein Integritätsmanagement und ergänzte die Aus- und Fortbildung. Weiter gab der Verein dem Geschäftsführenden Bundesvorstand per Satzung die Möglichkeit, im Notfall Mitarbeiter zu suspendieren.
Trotz der damals eingeführten Veränderungen zeigt sich, dass gegen vorsätzliches kriminelles Verhalten von Einzelnen unerlaubte Kontaktaufnahmen nicht hundertprozentig verhindert werden können. Dennoch unternimmt der WEISSE RING alles, um auch dieses Restrisiko soweit es geht zu minimieren. Über die Ergebnisse der neu eingesetzten Taskforce werden wir hier berichten.
In der Gesamtbetrachtung der Entwicklung und der jetzt im Raum stehenden Vorwürfe gab es dafür verschiedene Gründe. Im Einzelnen:
Gegen kriminelles Verhalten gibt es keinen hundertprozentigen Schutz. Was getan werden kann, ist, das Risiko solcher Fehlverhalten weitestgehend zu minimieren. Daran arbeitet der Verein seit Jahren. Letztlich waren die nach Lübeck eingeführten Maßnahmen in der Sache richtig. Das zeigt sich auch in der schnellen Reaktion auf die aktuellen Vorwürfe.
Mit der schnellen und rigorosen Reaktion des WEISSEN RINGS im aktuellen Fall zeigt sich, dass der Verein eine lernende Institution ist. Diesen Weg weiter zu gehen, ist alternativlos, der Verein WEISSER RING ist das sowohl den Opfern als auch den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und seinen Unterstützerinnen und Unterstützern schuldig. Daher werden auch die aktuellen Vorwürfe für erneute Veränderungen in der Organisation WEISSER RING sorgen. Zu den Sofortmaßnahmen gehören:
Als Konsequenz aus den Missbrauchs-Vorwürfen im Hochsauerlandkreis hat der WEISSE RING die Regeln für die Betreuung weiblicher Kriminalitätsopfer verschärft. Demnach dürfen Frauen, die Opfer von Sexualdelikten, häuslicher Gewalt oder Stalking geworden sind, wie bisher nur von weiblichen Mitarbeiterinnen oder hilfsweise nach dem sogenannten Sechs-Augen-Prinzip betreut werden. Das Sechs-Augen-Prinzip muss aber ab sofort auf einem neu entwickelten Formular dokumentiert werden, das bei jedem Treffen von allen Gesprächsteilnehmern unterzeichnet wird. Das hat der Bundesvorstand des Vereins auf seiner jüngsten Sitzung in Bingen am Rhein beschlossen.
Wörtlich lautet der Beschluss:
Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender des WEISSEN RINGS, betont in einem Schreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins, dass es sich bei der Regelung um einen „Mindeststandard“ handelt. Vor der Beschlussfassung in Bingen habe es intensive Diskussionen in den einzelnen Landesverbänden gegeben. Ziercke verweist darauf, dass sich einige Landesverbände für noch strengere Vorschriften ausgesprochen hätten. „Selbstverständlich können Sie in Ihren Außenstellen auch darüberhinausgehende Vorgehensweisen für die Betreuung weiblicher Opfer festlegen“, schreibt er deshalb, „beispielsweise eine ausschließliche Betreuung durch weibliche Mitarbeiterinnen oder eine Ausweitung der Handhabung auf alle weiblichen Opfer – egal welches Delikt sie erlitten haben.“
Bereits 2018, nach den Vorwürfen gegen einen Mitarbeiter in Lübeck (siehe Antwort 6), hatte der Bundesvorstand festgelegt, dass weibliche Opfer von Sexualdelikten durch Frauen oder nach dem Sechs-Augen-Prinzip zu betreuen seien. „Wir wissen, dass dieser Beschluss für einige von Ihnen schwer zu verdauen war. Es gab immer wieder die Rückmeldung, der Beschluss formuliere einen Generalverdacht gegenüber sämtlichen männlichen Mitarbeitern, er sei praktisch vor Ort nicht umsetzbar, und er gefährde die schnelle und unbürokratische Opferhilfe“, schreibt Ziercke an die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den rund 400 Außenstellen des Vereins. Eine Dokumentationspflicht wurde damals nicht eingeführt. „Ob der Beschluss flächendeckend umgesetzt wurde, konnte nicht kontrolliert werden“, so Ziercke.
Diese Lücke schließt nun der aktuelle Beschluss. „Zum Schutz der Opfer, die sich vertrauensvoll an uns wenden, und auch im Interesse des Vereins, ist es unabdingbar, dass wir als WEISSER RING diesen Schritt gemeinsam gehen“, schreibt Ziercke in seinem Brief ans Ehrenamt.
Der WEISSE RING baut sein Beschwerdemanagement aus und stärkt das Team durch Sabine Aye-Stöhr. Sie wird als weibliche Vertrauensperson für die Menschen zur Verfügung stehen, die sich in einem möglichen Beschwerdefall nicht direkt an den WEISSEN RING wenden möchten. Frau Aye-Stöhr wird ihre ehrenamtliche Aufgabe gemeinsam mit Dr. Herbert Fischer-Drumm übernehmen, der als Vertrauensperson seit Juli 2018 tätig ist.
Sabine Aye-Stöhr hat unter anderem langjährige berufliche Erfahrungen als Beraterin von Unternehmen und Organisationen beim Aufbau und der Entwicklung von Qualitätsmanagementsystemen, darüber hinaus ist sie seit 2010 Referentin in der Akademie des WEISSEN RINGS, unter anderem in den Bereichen Betreuungsarbeit, Fallberatung und Gesprächsführung in besonderen Situationen. Die Diplom-Ingenieurin für technische Informatik war von 2009 bis 2016 ehrenamtliche Mitarbeiterin beim WEISSEN RING.
„Wir freuen uns ausgesprochen, dass sich Frau Aye-Stöhr für diese sensible und verantwortungsvolle Aufgabe beim WEISSEN RING entschieden hat“, sagt Jörg Ziercke, der Bundesvorsitzende des Vereins, zu der Personalie. „Mit Frau Aye-Stöhr hat der WEISSE RING nicht nur einen fachlich und persönlich sehr gut geeigneten Menschen als Vertrauensperson gewinnen können – für Frauen, die mögliche Beschwerden über den WEISSEN RING äußern wollen, kann eine weibliche Vertrauensperson außerhalb des Vereins die bessere Ansprechpartnerin sein.“ Der Ausbau des Beschwerdemanagements des Vereins durch eine weibliche Vertrauensperson sei, so Ziercke, ein weiterer wichtiger Baustein, um die Opferhilfe stetig zu verbessern.
Hauptamtlich wird das Beschwerdemanagement des WEISSEN RINGS von der Psychologin Svenja Drews geleitet, sie ist Referentin Qualitätsmanagement und arbeitet in der Stabstelle Geschäftsführung.
Ergebnisse, Konsequenzen: Die Taskforce hat die Überprüfung der insgesamt 129 Fälle abgeschlossen, die der entlassene Außenstellenleiter betreut hatte. In der nachträglichen Betrachtung konnten die ehemaligen Kriminalbeamtinnen Martina Linke und Christine Burck mehrere Auffälligkeiten identifizieren. Um in Zukunft auffällige Muster eher erkennen und darauf reagieren zu können, prüft der WEISSE RING, ob sich auffällige Häufungen IT-basiert identifizieren und zur händischen Bewertung übergeben lassen.
In der 45-jährigen Geschichte des Vereins WEISSER RING hat es derartige Kontrollmechanismen bisher nicht gegeben. Mit Blick auf die rund 3000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins sagt Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS in Mainz: „Es geht hier nicht um Misstrauen. Wir wissen, welche wertvolle und aufreibende Arbeit unsere ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer tagtäglich leisten. Es geht darum, dass wir ein weiteres Sicherheitsnetz einbauen - zum Schutz von Opfern vor mutmaßlichen Kriminellen wie dem abgesetzten Außenstellenleiter.“
Der WEISSE RING bietet jeder Betroffenen die größtmögliche Unterstützung an. Das gilt auch für die beiden Frauen, die die Vorwürfe gegen den Außenstellenleiter im Hochsauerlandkreis erhoben haben – sofern sie sich denn überhaupt vorstellen können, weiter von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiterin des Vereins betreut zu werden. So hat die Frau, die sich 2019 über das Opfer-Telefon meldete und als erste Vorwürfe gegen den Mitarbeiter des Vereins erhob, bereits Interesse signalisiert und wohlwollend auf ein Unterstützungsangebot reagiert.
Potenziell betroffene Frauen können sich über die Hotline unter der Telefonnummer 0151/55164597 beim WEISSEN RING melden. Ansprechpartnerin am Telefon ist Petra Klein, Vorstandsmitglied und Leiterin der Außenstelle Oldenburg in Niedersachsen.
Der Bundesvorsitzende des WEISSEN RINGS, Jörg Ziercke, zeigt sich erschüttert über die Vorwürfe gegen den Außenstellenleiter: „Der WEISSE RING will Opfern helfen, er darf keine Opfer schaffen. Ich entschuldige mich im Namen des gesamten WEISSEN RINGS bei den Frauen, die durch mutmaßlich kriminelle Verhaltensweisen Einzelner geschädigt worden sind. Ich werbe um das Vertrauen für 2800 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in ganz Deutschland, die einen klaren ethischen Kompass haben. Sie haben das Vertrauen der Menschen verdient. Wir sind zutiefst betroffen und geschockt.“
Allein 2020 hat der WEISSE RING in 11.645 Fällen materielle Hilfen leisten können. Materielle Hilfe bedeutet, dass der Verein beispielsweise Opfern von häuslicher Gewalt die Flucht bezahlt oder eine neue Unterkunft, Anschlagsopfern eine Erholungsmaßnahme, Anwaltskosten trägt oder Therapieleistungen vorfinanziert. Hinzu kommen Tausende Fälle sogenannter immaterieller Hilfen, in denen Opferhelfer Betroffene berieten, Kontakte vermittelten oder ihnen einfach nur zuhörten.
Jörg Ziercke: „Viele Opfer zeigen durch ihre Rückmeldungen, wie wichtig schnelle und unbürokratische Hilfe ist. Bevor staatliche Einrichtungen Hilfe leisten können, hat der WEISSE RING Menschen in Not schon geholfen. Diese Hilfen kommen überwiegend Menschen zugute, die schwere Schicksalsschläge erlitten haben.“
Der WEISSE RING ist überzeugt davon, dass diese Hilfe wichtig und gesellschaftlich wertvoll ist. Daher hat der WEISSE RING sich für die Aufarbeitung des Geschehens größtmögliche Transparenz verordnet. Diese Website wird deshalb regelmäßig aktualisiert. Die Offenlegung der Vorgänge wird lediglich durch Ermittlungsgründe seitens der Strafverfolgungsbehörden bei den strafrechtlichen Fragen beschränkt.
Nachtrag (17.05.2021): Der Landesvorsitzende des WEISSEN RINGS in NRW/Westfalen-Lippe, Jörg Bora, hat sein Ehrenamt niedergelegt. „Die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen“, sagte Bora. „Aber nach den belastenden Ereignissen im Hochsauerlandkreis habe ich mich entschlossen, nach fast sieben Jahren mein Amt niederzulegen.“
Der Landesverband bedauert die Entscheidung des 56-Jährigen. „Jörg Bora war ein hochbeliebter Landesvorsitzender, er war jederzeit für jeden einzelnen Mitarbeiter ansprechbar“, sagt seine Stellvertreterin Ruth Stöpper. Auch der Bundesvorstand bedauert den Rücktritt. „Wir danken Jörg Bora für seinen engagierten Einsatz im und für den Verein“, sagte der Bundesvorsitzende des WEISSEN RINGS, Jörg Ziercke. „Wir respektieren seine persönliche Entscheidung und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“
Im Landesverband NRW/Westfalen-Lippe arbeiten rund 220 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 26 Außenstellen. Bis zur Wahl eines Nachfolgers auf der Landesmitgliederversammlung 2022 übernimmt Ruth Stöpper die Aufgaben an der Vereinsspitze, die als stellvertretende Landesvorsitzende weiter im Amt bleibt. Unterstützt wird sie dabei kommissarisch vom Vorsitzenden des Landesverbandes NRW/Rheinland, Bernd König.
Unter der Überschrift „Erneut schwere Vorwürfe erhoben: Weiterer Opferschützer soll junge Frau belästigt haben“ hat die „Bild“-Zeitung am Donnerstag, 8. April, einen Bericht mit Vorwürfen gegen einen unbekannten ehrenamtlichen Mitarbeiter der Außenstelle Bochum veröffentlicht. Darin berichtet eine anonyme junge Frau, dass sie im Herbst 2018 von diesem Mitarbeiter sexuell belästigt worden sei. Sie habe sich im Nachgang an den WEISSEN RING gewandt und die Zusage bekommen, dass er sich um den Fall umgehend kümmern werde. „Zwei Wochen später hatte sich noch immer niemand gemeldet. Ich fühlte mich nicht ernst genommen und habe mit dem Weißen Ring abgeschlossen“, zitiert die Zeitung die unbekannte Frau, die sich nach Bekanntwerden der Missbrauchs-Vorwürfe im Hochsauerland bei der Redaktion gemeldet habe.
Die internen Recherchen des WEISSEN RINGS zu den Vorwürfen haben folgende Rekonstruktion des Vorgangs ergeben:
Am Dienstag, 9. Oktober, meldete sich ein unbekannter Anrufer bei der Leiterin der Außenstelle Bochum. Er sagte, er rufe für eine Freundin an. Diese 22-jährige Freundin, so notiert es die Außenstellenleiterin, werde von einem Mitarbeiter der Außenstelle, den sie seit zehn Jahren kenne, belästigt. Der Mitarbeiter habe die Familie der jungen Frau vor zehn Jahren betreut. Die Belästigung geschehe durch SMS, bei einem Treffen am Bahnhof soll es auch zu Berührungen gekommen sein. Weitere Informationen zu den Belästigungen, zum Inhalt der SMS oder zum Treffen am Bahnhof gab der Anrufer nicht preis, ebenso wenig wie den Namen seiner Freundin, des mutmaßlich übergriffigen Mitarbeiters oder zum Zeitpunkt der Belästigungen.
Die Außenstellenleiterin wies den Anrufer auf die Möglichkeit hin, die Vertrauensperson des WEISSEN RINGS zu kontaktieren, und bat ihn außerdem um den Namen des Mitarbeiters. Er kündigte an, mit seiner Freundin Rücksprache halten zu wollen. Bei einem zweiten Telefonat am selben Tag berichtete er, dass die Freundin darüber nachdenken wolle, ob sie den Namen nenne, und sich wieder melden würde. Zu einem weiteren Kontakt zwischen der Außenstellenleiterin und dem Anrufer oder seiner Freundin kam es nicht.
Eine Woche später gab die Außenstellenleiterin den Fall und auch die Telefonnummer des Anrufers an den ehrenamtlichen Vorsitzenden des Landesverbandes Westfalen-Lippe weiter, Jörg Bora. In den folgenden Tagen kündigte Bora dem Anrufer an, dass sich der WEISSE RING melden würde. Er bat eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, den Anrufer zu kontaktieren und sich der Sache anzunehmen, um weitere Informationen zur möglichen Aufklärung der Vorwürfe zu erhalten. Die Mitarbeiterin, von Beruf Juristin, schien ihm als stellvertretende Leiterin einer gut 100 Kilometer von Bochum entfernt liegenden weiteren Außenstelle des Landesverbands die nötige Distanz für die Aufgabe zu haben. Anschließend dauerte es allerdings rund zwei Wochen, bis die Mitarbeiterin eine Mailbox-Nachricht hinterließ.
Anfang November meldete sich der Anrufer wieder beim Landesvorsitzenden. Der SMS-Verkehr ist dokumentiert.
„Bestimmt sind Sie nur einfach noch nicht dazu gekommen, mich zurückzurufen. Ich danke Ihnen für das aufrichtige Interesse, werde jedoch auf andere Möglichkeiten zurückgreifen, um hoffentlich solchen Vorfällen beim Weißen Ring entgegenzuwirken.“
Bora antwortete, dass er den Fall an eine Mitarbeiterin weitergeben habe und erstaunt sei, dass es noch zu keinem Kontakt gekommen sei. „Darf ich Sie bitte noch mal anrufen? Ich bin als Landesvorsitzender sehr an Ihrem Sachverhalt interessiert und möchte Ihnen sehr gern helfen.“
Der Anrufer lehnte ab und brachte noch einmal seine Enttäuschung zum Ausdruck, dass sich niemand gemeldet habe. „Zwei Wochen sind bei so einer Sache wirklich hart, und von Kompetenz kann dabei bei allem Respekt keine Rede sein. Direkter Kontakt mit dem Weißen Ring kommt für mich nicht mehr in Frage, aber danke.“
Der Landesvorsitzende erneuerte daraufhin noch einmal das Gesprächsangebot. „Ich bedaure, dass es zu keinem Gespräch zwischen Ihnen und meiner Mitarbeiterin gekommen ist. Sicher gibt es nachvollziehbare Gründe dafür. Sie haben sich bisher zur Anonymität entschieden und so soll es wohl auch bleiben. Leider! Selbstverständlich akzeptiere ich Ihre Entscheidung, biete aber gleichzeitig an, mich jederzeit zu kontaktieren.“
Zu einer erneuten Kontaktaufnahme durch den Anrufer oder die Freundin kam es nicht. Eine Aufarbeitung des Vorwurfs war dem WEISSEN RING nicht möglich: Es gab keinen Beschuldigten, keinen Beschwerdeführer, keinen konkreten Tatvorwurf, keine konkrete Tatzeit. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Im Fall Lübeck wird der WEISSE RING keine weiteren Kosten für das laufende Berufungsverfahren einer betroffenen Frau übernehmen. Das hat der Geschäftsführende Bundesvorstand des gemeinnützigen Vereins in seiner jüngsten Sitzung beschlossen. Grund dafür sind die als sehr gering eingeschätzten Erfolgsaussichten des Berufungsantrags.
Die Frau ist eine von insgesamt 29 Betroffenen, die dem ehemaligen Leiter der Außenstelle Lübeck sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatten (siehe Antwort 6). Ihr Fall ist der einzige, der zu einer Anklage führte, Vorwurf: Exhibitionismus. Der Strafprozess endete im September 2019 mit einem Freispruch für den ehemaligen Mitarbeiter des WEISSEN RINGS. Grundlage für das Urteil des Landgerichts war ein psychologisches Gutachten, das die Aussagen der betroffenen Frau als nicht glaubhaft einschätzte. Die Frau als Nebenklägerin und auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung gegen das Urteil ein; die Staatsanwaltschaft nannte „Restzweifel“ an dem Gutachten als Grund. Nachdem ein zweites vom Landgericht eingeholtes Gutachten die Zweifel nicht ausräumen konnte, zog die Staatsanwaltschaft ihren Berufungsantrag im Januar 2021 „mangels Erfolgsaussichten“ zurück (externer Link zur Pressemitteilung). Die Nebenklägerin hielt an ihrem Antrag fest.
Der WEISSE RING übernimmt grundsätzlich keine Kosten für Berufungs- oder Revisionsverfahren, die von den Kriminalitätsopfern eigeninitiativ beantragt werden. In diesem Fall hatte der Verein aber wegen seiner besonderen Verantwortung der betroffenen Frau gegenüber eine Ausnahme gemacht. Allerdings muss der WEISSE RING als spendenfinanzierte Organisation vor Gewährung jeder Rechtshilfe die Erfolgsaussichten prüfen. Nach dem Rückzug der Staatsanwaltschaft hatte der Verein die Anwältin der Nebenklägerin mehrfach um weitere Informationen gebeten, um die Erfolgsaussichten beurteilen zu können. Entsprechende Unterlagen liegen bis heute nicht vor. Weil der WEISSE RING im Fall einer Niederlage vor Gericht die kompletten Kosten des Verfahrens tragen und damit auch die Anwaltskosten des Angeklagten übernehmen müsste, hat der Vorstand die Kostenübernahme abgelehnt.
„Wir sind zu einem sorgsamen Umgang mit den Spenden und Mitgliedsbeiträgen verpflichtet“, erklärte Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS in Mainz. „Auf keinen Fall dürfen und wollen wir die Auslagen des Mannes tragen, der so vielen Frauen Leid angetan hat und gegen alles verstoßen hat, wofür der WEISSE RING steht.“ Biwer betonte, dass der Verein sich seiner besonderen Verantwortung den betroffenen Frauen gegenüber bewusst sei. Der Nebenklägerin seien durch den WEISSEN RING Rechts- und Therapiehilfen im hohen fünfstelligen Bereich finanziert worden.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den ehemaligen Mitarbeiter hat der WEISSE RING verschiedene Frauen unterstützt, die sich über die Beschwerde-Hotline bei Bundesvorstandsmitglied Petra Klein gemeldet hatten. In einigen Fällen bestehe der Kontakt bis heute. „Wir freuen uns sehr, dass diese Frauen dem WEISSEN RING als Organisation weiterhin vertrauen“, so Biwer.
Im Berufungsverfahren hat das Landgericht Lübeck zwei Verhandlungstermine am 17. und 24. August 2021 festgesetzt.
Detlef H. ist rechtskräftig vom Vorwurf der exhibitionistischen Handlung freigesprochen worden. Die für Dienstag, 17. August 2021, geplante Berufungsverhandlung gegen den ehemaligen Leiter der Lübecker Außenstelle des WEISSEN RINGS hat nicht stattgefunden. Die Nebenklägerin habe ihre Berufung gegen den Freispruch des heute 78 Jahre alten Mannes zurückgezogen, teilte das Lübecker Landgericht am Montag mit. Sie hatte dem pensionierten Polizeibeamten vorgeworfen, sich im April 2016 bei einem Beratungsgespräch vor ihr entblößt zu haben.
Das Amtsgericht Lübeck hatte den 78-Jährigen am 26. September 2019 nach einem Indizienprozess vom Vorwurf des Exhibitionismus freigesprochen. Dagegen hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Geschädigte Berufung eingelegt.
Anfang dieses Jahres hatte die Staatsanwaltschaft jedoch ihre Berufung zurückgezogen, nachdem ein weiteres Gutachten zum Aussageverhalten der Hauptbelastungszeugin vorgelegt worden war. Die Frau, die zum Zeitpunkt des Vorfalls 38 Jahre alt war, blieb jedoch zunächst bei ihren Anschuldigungen. Am Montag habe die Frau dann durch ihre Anwältin ihre Berufung zurückgezogen, so dass der Freispruch nunmehr rechtskräftig sei, sagte der Gerichtssprecher. (Quelle: dpa)
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